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Biografie
1935 in Dijon geboren
1956/57 Studium an der Ecole des Métiers d'Art, Paris
1957/58 Ecole des Beaux-Arts, Nancy, F.
1958/59 Ecole des Beaux-Arts, Paris
1963/65 Ecole des Beaux-Arts, Strasburg
1985-2001 Atelier im Frauen-Museum Bonn
Seit 1988 Mitglied der Künstlerinnengruppe zart & zackig z&z
Seit 2000 Mitglied der Ateliergemeinschaft 5in2

Stipendien
1990 "Affaires Culturelles Françaises" 1990 Stipendium der Stadt Bonn 1993 "Max Kade-Stipendium", Lancaster, Pennsylvania, U.S.A. 1995 Stipendium des Kulturministeriums von Thüringen

Ausstellungen
1985 „Travaux sur papier“ Institut Francais, Bonn, Mainz, Karlsruhe
1987 Espace personnel", Frauenmuseum, Bonn
1993"Past-Present", Marshall & Franklin College, Lancaster, Pennsylvania, USA
2000“Starke Frauen” Kulturzentrum, Konstanz
2001/02 „Stadtkunst 2001 Bonn“, Stadtmuseum
2004 "Zeitschrift", Gedenkstätte für die Bonner Opfer des Nationalsozialismus
2005 „Arbeiten zu „Käthe Kollwitz“ Berlin, „Wahrnehmungsspuren“ Wissenschaftszentrum Bonn
1990 "Kunstpreis der Stadt Bonn", Städtisches Kunstmuseum, Bonn
1999"Die Invasion der Siebenhäutigen Königin" ACC Galerie, Weimar
2000 Le Musée des Femmes de Bonn au Goethe-Institut de Lyon“ Lyon
2003 "Leibhaftig", Galerie des BBK-Centrums, Frankfurt a/M,
2004 Kunstverein Potsdam
2005 „Doppelherz“ Galerie M Berlin z&z

Künstlerinporträt von Martine-Metzing Peyre
Ich bin in Dijon geboren, in einer Lehrerfamilie, die alles andere als konfor-
mistisch war. Meine Kindheit ist von ständigen Orts- und Personenwechseln geprägt. Ich könnte diesen Mangel an Stabilität auf den "Kriegszustand" schieben, doch auch die familiären Gewohnheiten spielen hier eine Rolle. Natürlich wurde durch den "Kriegszustand" von damals auch nichts besser. Ich habe schon immer für mein Leben gerne gezeichnet, seit ich überhaupt einen Stift halten konnte, was auch durch mein Umfeld gefördert wurde, insbesondere durch meinen um zwölf Jahre älteren Bruder, der Maler werden wollte, jedoch im Widerstand 1944 umkommen sollte.
Später hat mein Zeichenlehrer, Mr. Trotterot, mich ermutigt, ein Kunststudium aufzunehmen. Ich beginne also mit dem künstlerischen Zweig am Gymnasium Sèvres. Danach kommt das Atelier Charpentier in Paris. Ich schreibe mich in die École des Métiers d'Art im Hôtel Salé, dem heutigen Picasso-Museum, ein. Trotz der Schönheit der baufälligen Gebäude fühle ich mich dort nicht wohl. Deshalb gehe ich an die École des Beaux-Arts in Nancy, wo ich einen Abschluss (CAFAS) mache - nichts Großartiges, aber dennoch von Nutzen. Damit würde ich später, in der Zeit von 1963 bis 1966, eine befristete Stelle als Kunstlehrerin bekommen. 1958 kehre ich nach Paris zurück, wo ich mich im Atelier Legueult in l’Ecole des Beaux-Arts den Schönen Künsten widme. Dieses Atelier ist so gut wie ausgestorben, der „Maître“ lässt sich dort höchstens einmal während der Woche kurz blicken.
Nein, was mich vollauf in Beschlag hält, ist Algerien, der Krieg ! Und dorthin gehe ich auch, nach Algier. Meine Zeit verbringe ich abwechselnd in einer Malwerkstatt für Kinder (vor meiner Abreise mache ich ein Praktikum bei Arno Stern) und im arabischen Viertel Clos-Salembier, wo sich die Teams von "la Cimade" niedergelassen haben. Auch dort arbeite ich mit Kindern. Daraus entsteht eine Ausstellung, Titel der Ausstellung : "Kinder und Krieg". Ich nehme noch an den Unabhängigkeitsfeierlichkeiten in Algier teil und kehre dann nach Frankreich zurück. 1964 schreibe ich mich an der Schule der Schönen Künste in Straßburg in der Werkstatt für Gravierkunst ein. Im Frühjahr stelle ich in der Galerie "La Rive gauche" aus. In einer Kritik der Lokalpresse wird meine Arbeit für gut befunden, allerdings heißt es, sie sei zu sehr dem KZ-Thema verhaftet.
Im Sommer 1966 verlasse ich Frankreich und gehe nach Deutschland. Mit Dieter Metzing, gründe ich eine Familie. Thilo wird im Januar 1967 geboren, Manuela im Dezember 1969. Wir leben unter äußerst schwierigen Bedingungen, was meiner Eingewöhnung in Deutschland nicht gerade förderlich ist. Von meinen chronischen "Tiefs" falle ich in eine Depression, wo gar nichts mehr geht. Zum Glück finde ich einen qualifizierten Therapeuten, Dr. Janssen. Da mein Deutsch mehr als schlecht ist, beschließt er, meine zeichnerischen Gaben zu nutzen und mir die Möglichkeit zu geben, mich durch meine Kunst auszudrücken. Daraus erwächst ein dreijähriges intensives Arbeiten.

Man schreibt bereits das Jahr 1984.
In einem Graphikkurs lerne ich Heide Pavelzik und Anna von Holleben kennen, die genauso wie ich Kunst studiert und dann ihre Kinder großgezogen haben und arbeiten und ausstellen wollen. Anna, Heide und ich bekommen die Möglichkeit, im "Frauenmuseum" in Bonn Ateliers einzurichten; dabei handelt es sich um einen großen Betonbau, in dem eine Gruppe von Künstlerinnen um Marianne Pitzen nahezu ohne finanzielle Mittel zahlreiche Ausstellungen organisieren.. Doch es gibt dort viel Platz, und das Vorhaben ist interessant. Dort treffe ich andere Künstlerinnen.
Als ich meine Arbeit im "Frauenmuseum" aufnehme, befinde ich mich in einer Landschaftsphase. Mehrmals fahre ich an die normannische Küste, wo ich in der Natur Zeichnungen und Aquarelle angefertigt habe.
Meine Mitwirkung an der historischen Ausstellung über die Geschichte der Bonnerinnen stellt eine Zäsur in meiner Arbeit dar, eine Rückkehr zur Zeichnung und der Eintritt in die dritte Dimension.
Während eines Besuchs in Bonn, der von Studentinnen organisiert wird, die unter Frau Prof. Dr. Annette Kuhn arbeiten, erfahre ich davon, dass es in den Jahren 42, 43, 44 und 45 zahlreiche Frauen gab, häufig sehr junge Frauen, die von den Nazis - meist in Mitteleuropa - aufgegriffen und verschleppt worden waren und als Sklavinnen in den Fabriken arbeiten mussten. Mit Kreide, die eine farbig, die andere schwarz, und mit Skizzenpapier als Material begebe ich mich an die Arbeit. Ich vertiefe mich vollkommen in dieses Drama, identifiziere mich mit diesen Frauen; ich arbeite mit Feuereifer daran. Die Qualität des Strichs, die Emotionen, die darin zum Ausdruck kommen, sind für mich von ausschlaggebender Bedeutung. Zeichnungen, die mir nicht zusagen, zerreiße ich. Einige Monate später - ich arbeite weiter daran - klebe ich diese Überbleibsel meiner Zeichnungen auf große Streifen Pauspapier; diese Papierflächen hänge ich im Raum auf und schaffe damit mein erstes dreidimensionales Werk! Dies ist meine erste Installation.
Das Pauspapier wird zum Grundmaterial fast aller Arbeiten, die folgen sollen. Ich gehe vom Zeichnen zum Schreiben über. Hierzu verwende ich Stifte in Aquarellfarben auf feuchtem Pauspapier. Die aufgetragene Schrift ist teilweise unleserlich. Ich möchte damit jedoch nicht gelesen werden oder eine Botschaft übermitteln, sondern die Ambivalenz der Information zum Ausdruck bringen, ihre Relativität.

Anschließend eine Arbeit mit Schrift in graublau, eine Art "verbaler Architektur", mit der ich symbolisch einen postumen Dialog mit meinem verschwundenen Bruder herstelle, derjenige, der mich in die Welt des Zeichnens eingeführt hat. Darauf folgt eine weitere Arbeit mit Schrift mit dem Titel "The Death of Woman in Man". Dabei handelt es sich um einen Text von Senta Trömmel-Plötz in Form einer Anklagerede, was durchaus meinen Gefühlen entspricht, seit in den Nachrichten vom Krieg in Bosnien berichtet wird. Diesen Text schreibe ich mit weißen Kerzen auf weißes Papier. Der Text wird sichtbar, wenn ich ihn mit Tusche übermale. Und dann fertige ich 12 Kleider als Hommage für die Waschfrauen an. Die Geschichte der Bonner Waschfrauen ist besonders interessant, da diese im Jahre 1825 eine Protestaktion, einen Streik organisiert haben.

Eine Installationen aus der letzten Zeit, ebenfalls auf Pauspapier, ist anders, denn sie ist nicht aufgehängt und vertikal wie ihre Vorgängerinnen, sondern steht auf dem Boden. Sie besteht aus etwa hundert Schuhen, ganz in Weiß. Die Hälfte davon sind Männerschuhe, die N. Steeg hätten gehören können, meinem Ururgroßvater, der Anfang des 19. Jahrhunderts von Deutschland nach Frankreich ausgewandert ist. Auf diese Weise zeichne ich seinen Weg nach. Die übrigen Schuhe gehören mir: ich bin wieder in den Norden zurückgekehrt.
Eine weitere Arbeit ist zwischen diesen Installationen angesiedelt. Es handelt sich um Porträts, ganzfigürlich, etwas größer als in natura, von neun ausländischen Frauen, die in Deutschland leben. Diese Frauen sind gesellschaftlich integriert und aktiv und genießen im Rahmen ihrer Tätigkeiten Einfluss.
Weshalb diese Auflistung meiner Arbeiten? Hat diese für diejenigen, die sie nicht kennen, überhaupt einen Sinn ? Genügen Photos, um sich eine Vorstellung davon zu machen ? Von vielen kleinformatigen Arbeiten - Zeichnungen, Collagen, Ausschneidebilder usw. - habe ich gar nicht gesprochen. Trotzdem erhalte ich dank dieser Bilanz einen Gesamtüberblick über das, was ich in den letzten Jahren geschaffen habe.

Martine Metzing-Peyre, 2002